Johann Gottfried Stallbaum, ..., erblickte das Licht der Welt am 25. September des Jahres 1793 in dem kleinen Dorfe Zaasch, nicht weit von Delitzsch in der jetzigen Provinz, dem damaligen Kurfürstentume Sachsen, wo die Eltern ein ansehnliches Bauerngut *) besassen, das durch weisse Sparsamkeit vergrössert, sich noch jetzt im Besitze eines Zweiges der Familie Stallbaum befindet. Sein Vater Johann Christoph Stallbaum stammte aus dem nahen Petersroda, seine Mutter Eva Christine war eine geborene Voigt. Von der Familie Stallbaum in Zaasch wird noch ein altes Rechen- und Rezeptbuch aus dem Jahre 1777 aufbewahrt, in welchem der Vater mancherlei Übungen im Rechnen angestellt und manches nützliche Rezept für Menschen- und Tierkrankheiten eingetragen hat, Einträge, aus denen sich in rührender Weise eine Liebe zu Bildung und geistiger Vervollkommnung ausspricht, wie sie gewiss wenigen seiner Standesgenossen in damaliger Zeit eigen gewesen ist. Als Paten J.G. Stallbaums nennt das in dem Mutterkirchdorfe Zschernitz aufbewahrte Kirchenbuch, dessen Einsicht mir Herr Pastor Naumann in Zschernitz freundlichst gestattete, a) Johann Gottlieb Schlemmer, Einwohner und Anspänner in Zaasch, b) Johanne Rosine Riehl aus Biesen, c) Gottlieb Nadler jun., Einwohner und Anspänner in Zaasch.

Johann Gottfried war das zweitälteste von 5 Geschwistern.

 

*) Das alte Wohnhaus hat im Laufe der Zeit einem Neubau weichen müssen. Aus der alten Zeit rührt noch ein Seitengebäude im Gute, sowie der Thoreingang her. Mit treuer Liebe hing Stallbaum an dem Orte, der ihn geboren, und jedes Jahr unternahm er später mit Familie auf einem mit zwei Schimmeln bespannten Mitwagen einen Ausflug nach der fünf Stunden von Leipzig entfernten Heimat. 

 

 

 

Soweit die Ausführungen von Dr. Albert Brause in der Abhandlung "Johann Gottfried Stallbaum - Ein Beitrag zur Geschichte der Thomasschule in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts" aus dem Jahre 1897 

 

Heute benötigt man für die Strecke von Leipzig nach Zaasch etwa 30 - 45 min. mit dem Auto.  So ändern sich die Zeiten.

 

Nachfolgend ein Brief von Johann Gottfried Stallbaum an seine Eltern, geschrieben während des Krieges zwischen napolionischen Truppen und den Verbündeten Preußen, Rußland und Schweden, welcher später in der Völkerschlacht zu Leipzig seinen traurigen Höhepunkt erlebte.

 

Entnommen habe ich diesen Brief ebenfalls dem o.g. Buch.

 

In der Zaascher Chronik ist leider kein Hinweis zu finden, inwieweit Zaasch von den Kampfhandlungen betroffen war.

                                                                                                                            Leipzig,  am 27. Mai 1813.

 

,,Theuerste Eltern! Ihr letzter Brief war mir unaussprechlich lieb, weil ich darin die Nachricht erhielt, dass Sie alle gesund wären, und bei den jetzigen Zeitumständen, keinen Unglücksfall erlitten hätten. Ich befand mich in einer grossen Furcht, weil ich hörte, dass in Zörbig und Bitterfeld noch Russen stehen sollten, als hier schon Franzosen waren. Sie werden nun auch etwas wissen wollen über den Krieg. Am 2ten fiel die Schlacht bei Lützen vor, welche Stadt nur 4 Stunden vor hier liegt. Schon Tags zuvor hörten wir Kanonendonner den ganzen Tag hindurch. Aber weit stärker wurde derselbe den folgenden Tag, als den 2ten. Wir sahen eine schreckliche Rauchwolke stehen, die nie verging den ganzen Tag hindurch. Das Kanonen- und  Flintenfeuer war schrecklich. Schon früh um 5 Uhr hörten wir es. Die Schlacht mag schrecklich gewesen seyn. Neunzehn Male haben die Russen und Preussen ihre Batterien wieder erobert, und zum zwanzigsten Male haben die Franzosen mit gefälltem Bajonett Sturm gelaufen. Die Russen und Preussen, welche Blut schonen wollten, zogen sich also regelmässig zurück. Ein Theil vom rechten preussischen Flügel zog sich durch Leipzig, indem er sich heftig vertheidigte. In der Vorstadt wurde geschossen, und die Flintenkugeln flogen in die Häuser durch die Fenster. Diess war Sonntags am 2ten Mai nachmittags um 2 Uhr. Es konnte diesen Tag kein Gottesdienst gehalten werden. Bald hörte das Feuern auf, die Preussen und Russen zogen sich die Stadt hinaus, über Wurzen. Die grosse Armee bei Lützen aber zog sich nach Dresden zurück erst am folgenden Tage. Denn da hatte die Schlacht bis Abends10 Uhr gewährt. Jetzt haben die Russen und Preussen Dresden verlassen, und bei Bautzen ist wieder ein Treffen gewesen, über dessen siegreichen Ausgang die Franzosen nicht viel Wesens machen, woraus sich mancherlei vermuten lässt. So stehen jetzt die Kriegsangelegenheiten. Den Zeitungen nach scheint sich auch Schweden gegen Frankreich erklärt zu haben.  Die Hauptsache scheint jetzt zu seyn, welche Parthei der Kaiser von Österreich ergreift; worüber man noch gar nichts bestimmtes weiss. Sobald die Zeitungen etwas davon sagen, will ich es Ihnen schreiben. Jetzt will ich Ihnen aber erst noch eine kleine Schilderung vom Schlachtfelde bei Lützen geben. Drei Tage nach der Schlacht gingen einige von meinen Freunden auf das Schlachtfeld, und es zu besehen. O schrecklich mag es da ausgesehen haben. Fünf bis sechs Dörfer waren meistentheils ganz weggebrannt, worunter die Dörfer Kaja, Poserna, Grossgörschen fast am meisten gelitten haben. Die Einwohner waren während der Schlacht fast alle fortgelaufen, und alles war ihnen genommen worden. Nichts haben sie mehr, als was sie angehabt hatten. Die armen Leute haben kein Brot, keine Saat, kein Geld und gar nichts mehr. Die Leute sind da zu Bettelleuten geworden. Alle die, welche das Schlachtfeld besahen, mussten sich Brod und Wasser mitnehmen, denn nicht einmal Wasser konnte man dort trinken, die Todten waren hineingeworfen worden. Die armen Blessirten,  die noch lagen in errichteten Lazarethen auf dem Felde, flehten seufzend die Leute nach einem Stückchen Brot, nach einem Trunk Wasser an! Jeder, auch der härteste Mensch, muss bei einem solchen Anblick gerührt werden! Das ganze Feld sah blutig, und viele Todte und Blessirte waren zu sehen! Selbst die dortigen Bauern hatten nichts mehr zu essen und mussten Fremde um einen Trunk Wasser ansprechen. O schrecklich ein solches Unglück! ein höchst Unglücklicher, den es betrifft! Mich reut es, dass ich nicht selbst mitging auf das Schlachtfeld. Die Franzosen schreiben in ihren Berichten, dass die Russen und Preussen 25 000 Mann, sie selbst aber blos 10 bis 20 000 Mann verloren hätten. Die Preussen hingegen schreiben, dass sie selbst mit den Russen 8000 Mann, die Franzosen aber 15 000 Mann verloren hätten; ingleichen, dass sie noch 12 Kanonen erobert hätten von den Franzosen, und viele Gafangene gamacht. Die Franzosen hingegen schreiben, dass sie zwar Gefangene gemacht hätten, erwähnen aber nichts von einem andern Vortheil. Wenn man aber bedenkt, dass die Franzosen ihre Leute wüthend ins Feuer warfen, dagegen die Russen und Preussen wüthend sich wehrten, und doch ihr Blut zu schonen suchten, so sieht man bald, welche Parthei mehr muss verloren haben. Der Rückzug der Russen und Preussen ist übrigens, wie alle Leute versichern, ganz regelmässig zugegangen. Indess scheint es doch auch genug Verlust zu seyn, dass sie sich zurückziehen mussten, so dass Wittenberg und Torgau nun gänzlich entsetzt ist von dem Marschall Ney, den man erst für stark blessirt ausschrie. Die ganze Sache ist jedoch bis jetzt noch gar nicht entschieden, und man muss noch sehr die Zukunft erwarten. Für uns wäre es wol weit besser, wenn die Franzosen siegten. Man weiss aber selbst nicht, was man wünschen soll, wenn man die Sache genau betrachtet. Sollten die Preussen siegen, wer weiss, was dann aus Sachsen würde. Indess aller solcher Gedanken wollen wir uns entledigen. Wir wollen uns in diesen verhängnissvollen Zeiten auf Gott verlassen, der alles wol machen wird. Denn ist uns das Vertrauen auf Gott entrissen, dann sind wir die ärmsten, die unglücklichsten, die trostlosesten Menschen auf Gottes Erdboden, und wenn wir auch noch so reich und glücklich wären. Dabei müssen wir aber auch unsere Pflicht thun und uns nie weigern das zu thun, wozu und Pflicht und Vaterland auffordert. Wir müssen, wollen wir streng nach Pflicht handeln, das thun, was unser König will, und er, nicht wir hat es einst zu verantworten, was es gefordert hat. Unser König ist gewiss ein guter und weiser Regent, ein alter ehrwürdiger Mann, und er sucht gewiss das Beste seines Landes, er verdient daher auch Gehorsam. Schlechte Menschen sind das, die nicht mit ihm zufrieden sind, doch viele sind auch so dumm, dass sie nicht einsehen, welches Glück er dem Lande zu geben sucht. So viel kann ich Ihnen jetzt hiervon schreiben.

Ich habe mich bis jetzt, Gott sey Dank, immer wol befunden und möge die Vorsehung helfen, dass ich und auch Sie noch Lange gesund seyn mögen. Das Geld, was Sie mir in Ihrem letzten Briefe schickten, habe ich richtig erhalten. Ich habe mir jetzt Rock, Hosen, und Westen machen lassen, welches 14 Thaler zusammen alles kostet, wovon ich 12 Thaler baar bezahlt habe, denn ich habe einem kleinen Knaben lateinische und griechische Stunde gegeben und dafür habe ich 9 Thaler Geld bekommen; und das übrige hatte ich mir gesammelt. Auch habe ich mir ein Paar Strümpfe für 1 Thlr. 4 Groschen, und einen neuen Hut für 1 Thaler 12 Groschen gekauft, was ich alles bezahlt habe von dem Gelde, das ich theils von Ihnen bekam, theils mit selbst gesammelt hatte. Ebenso musste ich mir 2 Bücher kaufen, die 1 Thaler 3 Groschen kosteten. Auch diese habe ich bezahlt. Mich freut es recht sehr, wenn ich nichts von Ihnen zu fordern brauche. Diess Jahr werde ich nur wenig brauchen, was mich recht sehr freut, zumal jetzt solche Zeiten sind. Ich bin also im Ganzen 2 Thaler schuldig geblieben und 15 Thlr. 19 Gr. habe ich bezahlt. Ich brauche aber noch ein Paar Schuhe, weil ich nur ein altes Paar habe. Wenn Sie können, so wären Sie wol so gut und schickten mir Geld. Lieber Vater und liebe Mutter, können Sie denn? – Wenn es Ihnen nicht möglich seyn sollte, so will ich schon sehen, wie ich es bezahlen kann, freylich währt es  dann ein Bischen lange. Die Schuhe kosten etwa 1 Thlr. 12 Gr. Wenn ich nur es Ihnen nicht hätte schreiben müssen, ich hätte es nicht gethan und hätte es Ihnen erst dann geschrieben, wenn ich es hätte bezahlt gehabt. Sie können mir es glauben, ich verschwende keinen Groschen, aber in Leipzig braucht man Geld. Was machen Sie denn jetzt? Wie befinden Sie sich denn? Schreiben Sie mir es doch bald. Wenn es die Unstände zulassen, so komme ich kommende Hundstage wieder zu Ihnen hinunter, damit ich Sie wieder sehe, und dann bleibe ich auch Sonntags wieder unten. Leben Sie wol, mein lieber Vater und meine liebe Mutter, lebt wohl, meine Geschwister Christoph, Friedrich, Sophie und August; denkt an mich, so wie ich an Euch denke, der ich verbleibe Euer Euch liebender Bruder. Leben Sie wol, liebe Eltern.

  

                                                                                                          Ich bleibe

                                                                                                                Ihr 

                                                                                                    gehorsamster Sohn

                                                                                              Joh. Gottfried Stallbaum.“

 
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